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Mein Gedanken-Atelier Teil 1 von 3



Romanautor! Welche Gedanken schwirren dir im Kopf herum, wenn du von diesem Beruf hörst?


Die einen mögen an J. K. Rowling, die Autorin der Harry Potter-Reihe denken, die ehemalige Lehrerin, die ursprünglich, eher spielerisch eine Zauber-Geschichte für Kinder erdacht hatte und dann jahrelang als die bestbezahlte Schriftstellerin in der Welt galt. Der Gegenentwurf dazu ist wohl der arme Poet in dem Gemälde von Carl Spitzweg, der in seinem Dachzimmer im Bett sitzend mit dem Regenschirm in der einen Hand schreiben muss, weil ihm sonst das Wasser durch das undichte Dach auf die Seiten tropft.


Nein, auf mich trifft weder das eine noch das andere zu. Aber vielleicht interessiert es dich, wie ich zu meinen Büchern komme.


Der erste Schritt, bevor ich zum eigentlichen Schreiben meines Romans übergehe, ist das Plotten. Doch hier stellt sich für viele Leser gleich die nächste Frage: Was genau ist Plotten?


Gibt man dieses Wort bei Google ein, bekommt man folgende Beschreibung: Ein Plot ist die stichwortartige, chronologische Aufzählung aller Ereignisse, die du für deine Geschichte planst.


Für mich ist Plotten das Erfinden von Ideen, diese in Szenen auszuarbeiten und zu einer spannenden Geschichte zusammenzufügen. Ich mache mir Gedanken darüber, was ich mit dem Buch ausdrücken möchte, welche Geschichte ich erzählen möchte, welche Figuren meinen Plot tragen sollen. In dieser Phase lege ich die Handlung der Geschichte fest, vom Beginn bis zum Ende. Ich definiere die Figuren, die Orte und den Zeitraum, in dem die Geschichte spielen soll. Dabei entscheide ich, wo in der Geschichte die Spannungsbögen liegen sollen, soll heißen, wo der Leser die Luft anhalten soll und wo Erholungspausen für die Figuren – und den Leser – sind. Wo gibt es Konflikte zwischen meinen Romanfiguren, wie agieren sie, um die „Botschaft“, die ich dem Leser mitgeben will, zu bebildern, bevor ich sie am Ende zu dem großen Show-down auftreten lasse.


Diese Phase ist die erste Arbeit in meinem Gedanken-Atelier, vergleichbar mit den Überlegungen, die ein Maler sich vor der noch leeren Leinwand macht, seine Skizzenzeichnung vielleicht.



Was mir daran besonders gefällt, ist die Freiheit, die ich als Autor habe, mein Vorteil gegenüber allen anderen Kunstschaffenden. Nehmen wir mal den Musiker: Er braucht sein Instrument, das er perfekt beherrschen muss, seine Noten, sein Tonstudio. Auch Bildhauer und Maler haben ein Atelier, aber das ist üblicherweise starr an einen Ort gebunden. Der Bildhauer wird kaum mit seiner Skulptur in einem Café sitzen, um dort weiterzuarbeiten, und auch nicht der Maler, der sein Bild auf seiner Staffelei stehen und hunderte von Farben und Utensilien um sich herum verteilt hat. In der Filmbranche sieht es auch nicht besser aus, weder für den Schauspieler, noch den Regisseur oder den Rest des Teams. Für einen Film müssen sogar ganze Umgebungen neu gestaltet, Kulissen in Filmstudios aufgebaut werden. Hier ist es mit der Freiheit bei der Arbeitsplatzwahl nicht weit her.


Das alles bringt uns wieder zurück zu mir als Autorin. Was brauche ich, um einen Roman zu schreiben. Wenn ich es ganz einfach betrachte, brauche ich einen Stapel Papier, einen Stift und eben meine Gedanken. Doch, wie beginne ich nun? In meinem Kopf läuft ein Film ab, den ich eigentlich „nur“ zu Papier bringen muss. Ist es tatsächlich so einfach?

Ja, bei mir funktioniert das genau so. Jede Szene, jede Figur, jeder Schauplatz. Alles spielt sich als bewegte Bilder vor meinem inneren Auge ab und ich muss diese Szene nur in Worte fassen, beschreiben und die einzelnen Szenen aneinander reihen, Übergänge glätten. Wenn ich das gut mache, läuft der Film später so ähnlich im Kopf der Leser ab.


Mein Vorteil gegenüber allen anderen Kunstschaffenden ist meine vollkommene räumliche Unabhängigkeit. Sowohl in der Plotphase meiner Autorentätigkeit, als auch dann später in der Ausarbeitungsphase kann ich überall arbeiten. Ich kann in einem belebten Café sitzen, während die Stimmen der anderen Cafébesucher um mich herumrauschen wie Wellen um einen Felsen, oder ich kann in einem Park sitzend meinen Gedanken freien Lauf lassen, wie zum Beispiel im englischen Garten in München am Isarkanal, während unzählige Kinder um mich herum toben, schreien oder Frisbee spielen. Ich beobachte gerne – die Menschen, ihre Bewegungen, ihr Tun. Manchmal findet dann auch tatsächlich eine Eigenschaft dieser Person den Weg in mein Gedanken-Atelier und dann in einen Roman.


Doch, woher bekomme ich all die Ideen für mein Gedanken-Atelier? Und das bringt mich zu meiner anderen Leidenschaft, die ich zum Glück mit meiner Autorentätigkeit bestens kombinieren kann: Das Vanlife.


Du wirst nun fragen, was um alles in der Welt ist Vanlife? Vanlife ist eine Einstellung, eine Lebensphilosophie. Es ist das Leben in einem Auto. In der Regel ist damit das Leben in einem Van, einem Kastenwagen, umgebaut zu einem Wohnmobil, gemeint. Es ist Leben auf kleinstem Raum. Ein Leben, das mein Gedanken-Atelier mit jedem gefahrenen Kilometer, mit jeder Nacht an einem anderen Platz füllt.


Die Zeitschrift „Alps“ hat mich vor geraumer Zeit zu diesem Thema interviewt. Dabei ging es um das autarke Leben und Arbeiten im Van. Die Journalistin hat mich gefragt, wie ich dazu komme, in einem Van zu schreiben und woher ich meine Inspiration nehme, das heißt, wie ich mein Gedanken-Atelier bereichere.

Natürlich wollte die Journalistin von „Alps“ auch von mir wissen, was mich besonders an den Bergen fasziniert. Das beschreibt ein Abschnitt aus meinem Roman „Lavendelduft und Madeleines“ am besten, in dem meine Figur Isabell ihren Blick über die karge Berglandschaft schweifen lässt. Hier ein kleiner Ausschnitt:


Endlich blieb Jean stehen. Als Isabell ihn erreichte und nach vorne blickte, verschlug es ihr die Sprache. Sie stand an einer Felskante und blickte hinunter in ein tiefes Tal, dahinter erstreckte sich ein Gebirgsmassiv, das imposanter nicht hätte sein können. Riesige Felsblöcke türmten sich gegen den Himmel, als wollten sie die Erde verlassen. Der Himmel, azurblau wie das Meer aus der Ferne, schien zum Greifen nah. Ein paar weiße Wolken versuchten, sich über den Gebirgskamm zu schieben, schienen dabei aber an den höchsten Bergspitzen hängengeblieben zu sein. Greifvögel drehten hoch über ihnen langsam ihre Kreise und stießen scharfe Schreie aus, die an den Steinwänden widerhallten. Der hellgraue Fels reflektierte das Sonnenlicht und ließ die wenigen Büsche und Gräser, die sich an seinen Flanken in Spalten und Nischen festzuklammern versuchten, in unauffälligen Farben verblassen. Ein einzelner knorriger Nadelbaum, eine Art Zeder, vermutete Isabell, hielt sich tapfer auf einem zerklüfteten Felsbrocken, und Isabell bewunderte seine Standfestigkeit und den Willen dieses kleinen Bäumchens, sich in dieser unwirtlichen Welt durchzusetzen. Hier oben gab es nichts außer Himmel, kargem Gewächs und nacktem Stein. Langsam glitt ihr Blick die Felswand hinab in die Tiefe, bis der Schatten der Schlucht ihr die Sicht nahm. Als ihr Magen unangenehm zu kribbeln begann, sah sie schnell wieder nach oben.

Das hier war eine unglaubliche Aussicht, ein atemberaubendes Panorama, und Isabell war nicht fähig, etwas zu sagen.


Mit diesen Sätzen beschreibe ich meine eigenen Erlebnisse und Empfindungen, als wir – zu Recherchezwecken – durch die französischen Seealpen gefahren sind, rechts und links flankiert von Viertausendern.

Solche Reisen füllen mein Gedanken-Atelier mit einer schier unerschöpflichen Menge an Empfindungen und dem notwendigen Wissen über die örtlichen Gegebenheiten. Sie sind wie die Farben eines Malers, seine Grundlage für ein Bild. In der Phase des Plottens ziehe ich mich in mein Gedanken-Atelier zurück und lasse meine Romanfiguren an diesen Orten agieren.


Doch, was ist nun mit der Handlung? Wie komme ich auf die Ideen, wie sich meine Figuren verhalten, was ihnen im Verlauf meiner Geschichte passiert? Wie lösen sie die Konflikte, in die ich als Autorin sie gestürzt habe?

Dazu gibt es keinen geplanten oder immer wiederkehrenden Ablauf. Für die Handlung reicht eine einzige Gegebenheit aus, etwas, dass ich aus einem Gespräch aufschnappe oder eine einfache Aussage einer einzelnen Person. Aus diesem Keim wächst ein Geflecht in meinen Gedanken. Es formt sich eine Figur, ihr Aussehen, ihre Charaktereigenschaften, ein Handlungsort, der Gegenspieler zu der Hauptfigur und die Nebenfiguren. Einer nach dem anderen stellt sich bei mir vor und nach einer gewissen Betrachtung entscheide ich dann, ob ich diese Figur in meine Geschichte einbinde oder sie wieder verwerfe. Es ist wie ein „Casting“ für ein Theaterstück oder einen Film. Ausgewählten Darstellern biete ich daraufhin eine Bühne, die sie nun mit ihrem Leben füllen können. Ich schlage ihnen ein Handeln vor und stelle fest, zu welchen Konflikten dieses Handeln führt. Ich beobachte die Verstrickungen und helfe dann bei Lösungen, die schließlich nach etwa dreihundert Seiten zum Ende der Geschichte führen.


Und das alles spielt sich in meinem Gedanken-Atelier ab. Das Einzige, was ich in dieser Phase benötige, ist das besagte Papier und Stifte. In meinem Gedanken-Atelier sammle ich die Grundlagen – die Informationen, die ich durch Beobachtungen, bei Reisen und mit Selbsterlebtem gewonnen habe. Das Ganze mische ich ab und würze mit meiner Fantasie.


Im nächsten Blogartikel erzähle ich von der zweiten Phase, dem eigentlichen Schreiben und wie die Ideen aus dem Kopf auf das Papier kommen. Auch werde ich darüber berichten, wie mir dabei manche Romanfiguren das Leben schwer machen, sodass ich ihnen am liebsten kündigen würde.









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